Starker Abschied von Borowski: Der Kult-Ermittler wird fehlen!

In seinem letzten „Tatort“-Fall „Borowski und das Haupt der Medusa“ (16. März, 20.15 Uhr, ARD) sucht Borowski ein Haus heim, das ihn schon in seiner Jugend beim Vorbeigehen auf dem Schulweg immer gruselte. Jahrzehnte später und nur wenige Tage vor Beginn seiner Pension – in seiner Fantasie sieht er schon seine verlorene große Liebe Frieda Jung (Maren Eggert) mit ihm Reisepläne schmieden – hängt plötzlich eine Schwarz-Weiß-Fotografie jenes Gebäudes im Bürgeramt, wo er einen neuen Reisepass beantragen will.
Doch diese Pläne sind schnell vergessen, als der von Axel Milberg gespielte Kult-Kommissar auch noch erfährt, dass es zwei Todesfälle junger Frauen in der Behörde gab. Und dass der Mitarbeiter Robert Frost, der mit seiner Mutter in dem Gruselhaus lebt, spurlos verschwunden ist und mit ihm seine Erzeugerin.
Ein letztes Ma(h)l mit Borowski
Axel Milberg hört auf als Borowski – nach mehr als 20 Jahren wird er am Sonntag ein letztes Mal als der kultige „Tatort“-Kommissar im Fernsehen zu sehen sein. Bei einem Mittagessen in einem Hamburger Hotel erzählt er von dem Abschied von der Rolle, seiner Heimat Kiel – und verrät, was es mit seinem Bart auf sich hat.
Täter behält Haupt wie Perseus das von Medusa
Statt mit einem Reisepass verlässt Borowski mit einem Belüfter das Bürgeramt, der angeblich Legionellen ausgestoßen und so eine der Mitarbeiterinnen getötet haben soll. Der Ermittler nimmt die Spur auf – zunächst auch gegen den Willen seines Chefs Roland Schladitz (Thomas Kügel), aber schon bald mit Unterstützung seiner Kollegin Mila Sahin (Amila Bagriacik). Er schaut sich ohne Erlaubnis in dem scheinbar verlassenen Haus um und ist sich sicher: Hier war noch am selben Tag jemand – und der Tod der beiden Behördenmitarbeiterinnen war kein tragisches Unglück. Auch Frosts Mutter Eleonore wähnt er nicht mehr am Leben.
Auch wenn er dabei teilweise unvorsichtig vorgeht, soll er damit Recht behalten. Das darf man an dieser Stelle verraten: Denn die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen gleich zu Beginn des Krimis, wie Robert Frost, eindringlich gespielt von August Diehl, seiner Mutter erst noch ein Abendessen kredenzt, über das sie sich gehässig beschwert – wie auch über die Unfähigkeit ihres Sohnes generell –, und sie dann erdrosselt. Bevor er den Körper der Mutter zerstückelt und entsorgt, isst er noch seinen Nachtisch. Doch ihr Haupt behält er, wie in der griechischen Mythologie Perseus das von Medusa. In seinem Versteck schwimmt der Kopf in einem Aquarium ‒ und damit ist der Ton für diesen Krimi gesetzt.

„Tatort“ reloaded: Wie das TV-Lagerfeuer weiter lodern soll
Zeit für eine Rundumsanierung in Deutschlands ältester Krimireihe? Diesen Eindruck erwecken die aktuellen Entwicklungen rund um den „Tatort“. Teams werden ausgetauscht, verjüngt und diverser aufgestellt. Gleichzeitig verändert sich das Sehverhalten des Publikums. Eine Analyse der Vorgänge beim erfolgreichsten Format der ARD, das weiter Sonntagabend-Lagerfeuer bleiben will.
Spannend bis zum Schluss ‒ obwohl man den Täter kennt
Denn über dem Geschehen hängt bis zum Schluss diese leicht gruselige Spannung und die Frage, was als Nächstes passiert ‒ und das, obwohl (oder vielleicht gerade weil) es sich nicht um einen klassischen Whodunit-Krimi handelt. Den Täter kennt man schließlich schon.
Dennoch gelingt es dem Film nach dem Drehbuch von Sascha Arango (sein zehnter Kieler Fall), einem das Gefühl zu geben, dass noch alles passieren kann. Das liegt auch am Täter, bei dem nicht ganz deutlich ist, wie gestört und missbräuchlich die Beziehung zu seiner Mutter war. Dass sie es war, ist aber klar. Robert Frost, der keine Frau und keine Freunde hat, scheint der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein, auch aufgrund seiner Hacker-Kenntnisse. Die Ermittlungen werden nicht nur wegen Borowskis nahender Pension zum Wettlauf gegen die Zeit, der Mörder scheint auch vor weiteren Toten nicht zurückzuschrecken.

Borowski kann seinem Ermittlerinstinkt trauen
Der eigensinnige Borowski aber kann sich (mal wieder) auf seinen Ermittlerinstinkt verlassen. Er versetzt sich gedanklich in die Psyche des Täters und versucht, ihn an seiner Schwachstelle zu packen. Wie das ausgeht für Robert Frost, wollen wir hier noch nicht verraten. Wie es am Ende ausgeht, für Borowski und ob er wie geplant in Pension geht – das können wir tatsächlich nicht verraten werden, denn das bleibt auch für Journalistinnen und Journalisten bis zur Ausstrahlung ein Geheimnis. Die bekommen die Filme in der Regel vorab, doch dieses Mal fehlen die entscheidenden letzten Minuten.
Ob Borowski nach 22 Jahren und 44 Fällen noch unerwartet den „Tatort“-Tod sterben wird, ob doch noch seine große Liebe Frieda Jung auftauchen und mit ihm Richtung Happy End reiten wird, oder irgendwas dazwischen passiert – das bleibt also abzuwarten. Klar, aber wird schon vorher: Egal, wie Borowski geht, der norddeutsche Eigenbrötler hatte doch mindestens einen guten Freund in seinem Team. Sein Chef Roland Schladitz jedenfalls wird ganz emotional angesichts des anstehenden Abschieds, und auch Mila Sahin gesteht, dass sie Borowski vermissen werde.
Und nicht nur sie: Auch vor den Fernsehern saßen viele Borowski-Freunde, die seine eigensinnige Art und seine gleichzeitige Empathie und Verlässlichkeit lieben gelernt haben. Der TV-Kommissar wird am Sonntagabend um 20.15 Uhr fehlen, auch wenn Fans sich lange genug auf den Abschied einstellen konnten – schon vorletztes Jahr hatte Milberg ihn bekannt gegeben. Doch dieser starke Krimi-Abschluss macht einem das Lebewohl nicht einfach.



