„Golden Bachelor“, „My Mom, Your Dad“ und Co.: Werden Ü60‑Teilnehmende zum TV‑Trend?

Fitnessmodel trifft auf Influencerin: Ein bisschen überspitzt gesagt ist das das Prinzip vom „Bachelor“. Jedenfalls trifft in der RTL‑Evergreen-Kuppelshow in der Regel ein gut aussehender, athletischer Junggeselle ‒ in diesem Jahr waren es sogar zwei ‒ auf eine Horde attraktiver Frauen, die ihn kennenlernen will. Am Ende soll die große Liebe stehen.
Meist hat das nicht geklappt, fast alle TV‑Beziehungen sind wieder zerbrochen, manche waren vielleicht auch aus anderen Gründen als der Liebe in der Show. Ausnahmen bestätigen die Regel, denken wir etwa an Dominik Stuckmann, den „Bachelor“ von 2022, der noch heute mit seiner Auserwählten zusammen ist. Oder einen der zwei letzten „Bachelors“, Dennis Gries. Dennoch setzt RTL jetzt auf ein anderes Pferd, oder einen anderen Mann, um genau zu sein. Nämlich einen, der rund 40 Jahre älter ist als die üblichen Rosenkavaliere.
RTL versucht sich am „Golden Bachelor“
Der Sender hat seit dem Frühjahr, nach dem Vorbild der USA, einen „Golden Bachelor“ gesucht ‒ und jetzt gefunden. „Du hast Deine besten Jahre noch längst nicht hinter Dir und bist voller Energie? Du bist zudem charmant, gut aussehend, über 60 Jahre alt und möchtest Dich noch einmal so richtig verlieben?“: So wurde der Ü60-Rosenkavalier, den RTL auf Liebesreise schickt, im Casting-Aufruf von RTL beschrieben. Das Ergebnis der Suche ist der 73-jährige Franz Stärk, geschieden, seit zwölf Jahren single und nun bereit für eine neue Partnerin, wie RTL an diesem Freitag bekanntgab.
Dass die Chancen auf wahre Liebesgeschichten beim „Golden Bachelor“ besser stehen als beim “Bachelor, lässt sich zumindest bezweifeln. Die Statistik umfasst bisher nur eine US‑Staffel, und das Paar, das sich dort fand und sogar im Fernsehen heiratete, lässt sich nur drei Monate nach der Eheschließung wieder scheiden.

RTL hat seinen ersten „Golden Bachelor“ gefunden
RTL will nun offenbar eine ältere Generation mit Datingshows erreichen ‒ und stellt seinen ersten „Golden Bachelor“ vor. Der 73-Jährige geht bereits ab Anfang Dezember auf seine Liebesreise, allerdings bei RTL+ und erst später im linearen TV.
Aber sorgt das Format wenigstens für mehr Diversität im sonst so gern auf junge, faltenfreie und Schönheitsidealen entsprechende Menschen fokussierten Medium Fernsehen? Macht sich gar ein Fernsehtrend mit mehr Formaten mit Älteren bemerkbar? Schließlich lässt sich nicht nur bei RTL und dem „Golden Bachelor“ eine Bewegung hin zu älteren Protagonisten und Protagonistinnen beobachten.
„My Mom, Your Dad“ wegen schlechter Quoten abgesetzt
Da gab es zuletzt im Privatfernsehen etwa die Vox-Datingshow „My Mom, Your Dad“, in der Single-Eltern zwischen 40 und 60 in einer Villa zusammenlebten, während ihre Kinder in einer andere Villa ohne deren Wissen entschieden, wer wen daten darf. Die Show wurde allerdings nach wenigen Folge wegen schlechter Quoten auf Vox abgesetzt und nur noch auf RTL+ gezeigt. Eine Fortsetzung über die erste Staffel hinaus ist nach RTL-Angaben aus dem Frühjahr nicht geplant.
ProSieben- und Sat.1-Sprecher Christoph Körfer wiederum teilte der dpa vor einigen Monaten mit: „Best-Ager-Kandidatinnen und ‑Kandidaten sind fester Bestandteil in den Programmen auf unseren Sendern.“ Er verwies dabei etwa auf die damals 66‑jährige Lieselotte, die 2022 als Kandidatin bei „Germany‘s Next Topmodel“ kurz vor dem Finale ausschied. Oder auf die letzte „Big Brother“-Staffel, in der mit Gema und Tanja zwei 55‑jährige Frauen dabei waren.
Neues Format mit altem Rosenkavalier
Und nun der „Golden Bachelor“ bei RTL. Katrin Döveling, Professorin für Medienkommunikation und Medienpsychologie an der Hochschule Darmstadt, hält das neue Format grundsätzlich erst mal für eine gute Idee: „Es ist schön, dass auch ältere Menschen ein Format bekommen. Wir leben nun mal auch in einer älter werdenden Gesellschaft“, sagt sie im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Die Botschaft der Show, dass auch ältere Menschen sich noch verlieben können und das Leben mit dem Rentenalter nicht aufhört, ist wichtig.“ Döveling forscht schon seit vielen Jahren zum Thema Reality‑TV. Sie betont auch: Die Ü60-Generation sei die, die noch lineares Fernsehen schaue, im Gegensatz zu den Jüngeren, die oft nur noch streamten. Daher müsse auch auf ihre Bedürfnisse eingegangen werden. Dem eher entgegenlaufend ist eher die Senderstrategie: Denn der „Golden Bachelor“ wird ab dem 3. Dezember erstmal nur auf RTL+, dem hauseigenen Streamingdienst, zu sehen sein, und erst im Januar auch im linearen TV. Das hält Döveling für „etwas gewagt“.

Es gibt jedoch auch ein „Aber“ Dövelings mit Blick auf das neue Format: „Ich finde es schade, dass der ‚Golden Bachelor‘ in den USA weiter dieses Schönheitsideal propagiert hat: braun gebrannt, gut aussehend, muskulös.“ Tatsächlich ist das eine gute Beschreibung des „Golden Bachelor“ Gerry Turner (72). „Er ist nicht wirklich repräsentativ für seine Generation“, sagt Döveling weiter, „er bedient ein bestimmtes Klischee.“ Fast wie bei den jungen „Bachelors“. Und auch die Kandidatinnen, die um seine Aufmerksamkeit buhlten, sähen alle zehn bis 20 Jahre jünger aus, als sie es seien.

„Es ist leider immer noch eine auf Schönheit gebürstete Show, in der Falten als hinderlicher Makel gesehen werden“, kritisiert die Medienexpertin die US-Variante und spricht von einem nur „zaghaften Versuch, ältere Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und die Diversität der Gesellschaft im Fernsehen abzubilden, weil der ‚Golden Bachelor‘ in den USA nicht das ist, was 70‑Jährige als Identifikationspotenzial erkennen können.“ Es sei schade, dass es offensichtlich immer noch schwierig sei, in Würde ältere Menschen zu zeigen. „Man muss darüber nachdenken, wie man die Vielschichtigkeit des Alters darstellen kann, sodass eben nicht alles glatt gebügelte Gesichter sind“, fordert sie.
Ich finde es sehr erfreulich, dass er nicht aussieht als hätte er zehn Schönheitsoperationen hinter sich, und dass er kein glattgebügelter, hochstilisierter Sunnyboy ist, sondern ein Mensch, dem man in der Nachbarschaft begegnen könnte.
Katrin Döveling, Professorin für Medienkommunikation und Medienpsychologie an der Hochschule Darmstadt, über den deutschen "Golden Bachelor"
Der nun bekannt gewordene deutsche „Golden Bachelor“ hingegen überrascht die Expertin positiv: „Der kommt der Realität 1000-Mal näher als der ‚Golden Bachelor‘ aus den USA“, sagt sie. „Ich finde es sehr erfreulich, dass er nicht aussieht als hätte er zehn Schönheitsoperationen hinter sich, und dass er kein glattgebügelter, hochstilisierter Sunnyboy ist, sondern ein Mensch, dem man in der Nachbarschaft begegnen könnte.“ RTL sei sich offenbar bewusst, dass in Deutschland ein „Golden Bachelor“ wie der aus den USA, der ihrer Meinung nach nicht repräsentativ ist für seine Generation, nicht ankommen würde beim Publikum. Das Identifikationspotenzial spiele bei so einer Sendung schließlich eine große Rolle.
Sie ist gespannt auf die Ausstrahlung des deutschen „Golden Bachelor“, weiß aber auch: „Ältere Menschen werden oft sehr stereotyp dargestellt. Davon würde ich abrücken wollen. Das ist natürlich die Frage, ob das mit so einem Format gelingt.“ Sie nehme aber wahr, „dass gerade das Fernsehen mithalten muss mit der Gesellschaft“, sagt sie über die Veränderungen im Programm.
Entscheidend bei allen Medienformaten ist allerdings, dass die Menschen, die sich vor die Kamera stellen, auf eine wertschätzende Weise gezeigt werden und nicht als Personen, über die man sich lustig machen kann und soll.
Guido Klumpp,
Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen
Ähnlicher Ansicht ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso), die Formaten wie dem Ü60‑„Bachelor“ etwas abgewinnen kann. Geschäftsführer Guido Klumpp teilte der dpa dazu noch vor der RTL-Mitteilung über Franz Stärk mit: „Grundsätzlich ist es gut, wenn ältere Menschen in den Medien mit allen Facetten ihres Lebens gezeigt werden, auch als Menschen, die sich gerne noch einmal verlieben möchten.“ Entscheidend sei bei all solchen Medienformaten aber, „dass die Menschen, die sich vor die Kamera stellen, auf eine wertschätzende Weise gezeigt werden und nicht als Personen, über die man sich lustig machen kann und soll“. Das gelte natürlich für alle Formate und Menschen, unabhängig vom Alter.
Er betont weiter: „Wir halten jede Form von Klischee für problematisch, weil es eine in sich unterschiedliche Gruppe als vermeintliche ‚Einheit‘ darstellt. Dabei ist es eigentlich egal, ob Seniorinnen und Senioren stereotyp als schwach und hilfsbedürftig dargestellt werden oder als sportlich, reiselustig und konsumfreudig.“ Dabei tendiert der „Golden Bachelor“ sicherlich eher in zweitere Richtung. Der Verband wünscht sich, dass die Vielzahl der unterschiedlichen Lebensrealitäten Älterer in den Medien abgebildet werden, damit kein einseitiges Bild vom Leben im Alter geprägt werde.
Liebe im Alter längst ein Geschäftsfeld geworden
Die Aussagen Klumpps würde Döveling unterschreiben. Sie beobachtet gleichzeitig einen Wandel in der Gesellschaft, es werde akzeptierter und normaler, dass auch Menschen im Alter noch mal eine neue Liebe suchen. Tatsächlich ist aus Liebe im Alter ‒ ganz abseits vom Fernsehen und dem „Golden Bachelor“ ‒ längst ein Geschäftsfeld geworden. Zum Beispiel machen bei der Datingplattform ElitePartner Singles über 60 derzeit 15 Prozent der Premium-Mitglieder aus, wie das Unternehmen mitteilte. Bei Parship sind es 11 Prozent. Nun muss diese Entwicklung nur noch authentisch im Fernsehen ankommen.
mit dpa



